bm-2011-1-Pospiech
Berlin Medical 1-2011: 18-19
Gesund und aktiv älter werden
Stefan Pospiech, Berlin
In der öffentlichen Auseinandersetzung über das „Alter“ zeigen sich interessante Verschiebungen: Nachdem lange Zeit vor allem die Defizite des Alters thematisiert wurden, steht heute die Förderung von Gesundheit, Selbständigkeit, Teilhabe und Lebensqualität im Mittelpunkt. Dieses neue Bild auf das Alter hat gute Gründe, zählt doch die Gruppe der Hochbetagten oder Langlebigen, die der über 80jährigen, zur weltweit am stärksten wachsende Bevölkerungsgruppe in den nächsten Jahren.
Von diesem Leitbild wurde auch die Satellitentagung zum 16. Kongress Armut und Gesundheit am 2. Dezember im Berliner Rathaus Schöneberg getragen. Initiiert von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Gesundheit Berlin-Brandenburg und der Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen kamen über 200 interessierte Akteure zur Tagung unter dem Titel „Gesund und aktiv älter werden“ zusammen.
Gleich zu Beginn betonte Prof. Ursula Lehr, Vorsitzende der BAGSO, dass ein gesundes Altwerden die Herausforderung unserer Zeit ist. Dabei sei nicht allein entscheidend „wie alt wir werden, sondern wie wir alt werden. Es gilt, nicht nur dem Leben Jahre zu geben, sondern den Jahren Leben zu geben“ so Prof. Lehr.
Die soziale Teilhabe hat einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit im Alter
Um die Potenziale des Alters tatsächlich nutzen zu können, forderte Prof. Olaf von dem Knesebeck von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, Gesundheitsförderung und Prävention bis ins höchste Lebensalter zu stärken. Viele der Krankheiten, die mit zunehmendem Alter vermehrt auftreten, könnten durch geeignete präventive Maßnahmen vermieden oder hinausgezögert werden. Doch nicht allein Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel oder einer ungenügenden Ernährung zu reduzieren seien geeignete Ansatzpunkte. Gesundheitsförderung im Alter ziele besonders auf die soziale Einbindung und die Aktivierung zu einem sinnerfüllten Leben im Alter. Ein aktiver Lebensstil ermögliche neue Freundschaften zu schließen und in Gemeinschaft eingebunden zu sein. Es sei erwiesen, dass die soziale Teilhabe einen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit im Alter habe.
Erfolgreiche Formen der Unterstützung zum Erhalt der Selbständigkeit durch ehrenamtliche Strukturen
In den Workshops mit den Expertinnen und Experten konnten mit Hilfe von Forschungsergebnissen und Projekten erfolgreiche Formen der Unterstützung zum Erhalt der Selbständigkeit zum Beispiel durch ehrenamtliche Strukturen oder Seniorenservicebüros aufgezeigt werden. Bewegungsfördernde Initiativen im Stadtteil veranschaulichten, wie soziale Teilhabe und körperliche Aktivität verbunden werden können. Das Beispiel eines Ernährungsprogramms stellte dar, wie Angebote mit den Nutzern geplant und sich so die Akzeptanz und der Zugang verbessern. Vorgestellt und diskutiert wurden aber auch Lösungsansätze zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung und der Patientenberatung im Alter.
In allen Themenblöcken stand ein Aspekt besonders im Mittelpunkt: Die Möglichkeiten für ein „aktives“ Altern oder „erfolgreiches“ Altern sind in der Gesellschaft ungleich verteilt. Von gesundheitlichen Einschränkungen sind überproportional häufig sozial benachteiligte ältere Menschen betroffen. Auf diese Gruppen sind – trotz der erfolgsversprechenden Modellmaßnahmen und Initiativen – die vorhandenen Angebotsstrukturen nur bedingt
ausgerichtet.
Auch im Bereich der medizinischen und pflegerischen Versorgung wurde aufgezeigt, dass sozioökonomische Unterschiede eine Rolle spielen. Schnittstellenprobleme zwischen den einzelnen Sektoren führen bei schwieriger oder fehlender Kooperation der Akteure zu Lücken in der Versorgung, die einen vorzeitigen Verlust von Selbstständigkeit nach sich ziehen können. Im Gegensatz zu wohlhabenderen und besser gebildeten Patient/innen verfügen soziale benachteiligte Gruppen häufig nicht über die notwendigen Kompetenzen, solche Systemschwächen durch eigene Aktivitäten auszugleichen.
In der abschließenden Diskussion wurden daher zwei zentrale Herausforderungen für zukünftige politische Strategien hervorgehoben:
* Die Stärkung von Konzepten der Prävention und Gesundheitsförderung, die an den alltäglichen Lebenssituationen und sozialen Lebenslagen der älteren Menschen ansetzen.
* Der Bedarf an Versorgungskonzepten, in denen die Einzelakteure – professions- und organisationsübergreifend – in koordinierter Weise agieren. Dabei sollte die Reichweite solcher Konzepte neben der medizinischen auch die pflegerische und soziale Versorgung einbeziehen sowie die Patientenkompetenzen älterer Menschen stärken.
Angesicht der vielfältigen Herausforderungen geleitete eine Botschaft von Prof. Lehr die Teilnehmer/innen: „Bleiben wir Optimisten: Der Optimist macht aus jedem Problem eine Aufgabe, die es zu lösen gilt!“
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