BM-2011-1-van_den_Heuvel
Gerüstet für die alternde Gesellschaft?
Eine Bedarfsanalyse der geriatrischen Versorgung
Dirk van den Heuvel
Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Gesundheitsversorgung werden von erheblicher Bedeutung sein. Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung wird der Bedarf an geriatriespezifischer Versorgung alter bzw. hochaltriger Patienten in den kommenden Jahren stetig zunehmen. Hinzu kommt das derzeitig schon vorhandene Problem, dass Patienten mit geriatrischen Versorgungsbedarf in anderen Fachgebieten nur ungenügend identifiziert und behandelt werden. Damit besteht de facto bereits gegenwärtig ein erhöhter Bedarf an geriatrischer Versorgung.
Aus diesen Fakten heraus ergibt sich ein zwingender Handlungsbedarf bezüglich des Ausbaus der geriatrie-spezifischen Versorgungsstrukturen. Einen festen Bestandteil innerhalb der Versorgungsstrukturen bildet die Sicherung und der Ausbau des Qualitätsstandards. Durch eine Verzahnung gesetzlicher mit verbandsinternen Qualitätssicherungsinstrumenten wird die Qualität sowohl im Rehabereich als auch im Akutbereich sicher gestellt und kontinuierlich verbessert.
Der steigende Bedarf kann strukturell jedoch nicht ausschließlich von stationären Versorgungseinrichtungen abgefangen werden. Zudem wäre eine entsprechende Ausrichtung auch medizinisch nicht sachgerecht. Vielmehr bedarf es eines abgestuften Versorgungssystems von der hausärztlichen Versorgung bis hin zur stationären Einrichtung. Dieses System muss darüber hinaus eine dichte Netzwerkstruktur entwickeln, die alle Versorgungsangebote über die geriatrischen Kernversorgungsfelder hinaus umfasst und diese am Versorgungsbedarf des Patienten ausgerichtet miteinander verknüpft.
Als versorgungspolitische Antwort auf die demografische Entwicklung bedarf es somit einer auf die individuellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten abgestellte geriatriespezifische Versorgung, die durch eine vernetzte Behandlung innerhalb eines „Geriatrischen Versorgungsverbundes“ erreicht werden kann.
Mit dem „Geriatrischen Versorgungsverbund“ hat der Bundesverband Geriatrie ein entsprechendes Rahmenkonzept entwickelt. Dieses kombiniert die Vorteile einer Zentrumsstruktur mit dem Gedanken der Netzwerkbildung. Darüber hinaus trägt dieser konzeptionelle Ansatz den verschiedenen versorgungspolitischen Ansätzen in den einzelnen Bundesländern Rechnung.
Die auf die speziellen Bedürfnisse des geriatrischen Patienten abgestimmte Versorgung trägt nicht nur zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität älterer Menschen bei, sie generiert zugleich ein umfassendes finanzielles Sparpotential. Durch eine möglichst optimale Wiedereingliederung in das häusliche Umfeld reduzieren sich Ausgaben der Pflegeversicherung sowie der Sozialhilfeträger, so dass es gesamtgesellschaftlich zu deutlichen Einsparungen und damit zu entsprechenden Entlastungen im Bereich der gesetzlichen Versicherung kommt.
Insbesondere die Verhinderung der Pflegebedürftigkeit bzw. die Minderung der Pflegebedürftigkeit bietet enorme Möglichkeiten der finanziellen Entlastung nicht zuletzt der Kommunen, die durch Transferleistungen und Heimunterbringung zunehmend in die Versorgung älterer, pflegebedürftiger Patienten finanziell mit einbezogen werden. Modellrechnungen belegen, dass bei fachspezifischer geriatrischer Behandlung die Einsparungen in der Pflegeversicherung weit über den direkten Kosten der geriatrischen Behandlung lägen. Durch die fachspezifische Versorgung alter und hochaltriger Patienten entsteht eine seltene „Win-win-Situation“. Die Patienten erhalten einen individuellen Gewinn an Selbstständigkeit und Teilhabe bei gleichzeitiger gesamtwirtschaftlicher finanzieller Entlastung der Sozialversicherungssysteme.
Korrespondenzadresse:
Dirk van den Heuvel
Rechtsanwalt
Bundesverband Geriatrie e.V.
Reinickendorfer Str. 61
D-13347 Berlin
dirk.van-den-heuvel@bv-geriatrie.de
www.bv-geriatrie.de