BM-2011-2-Matuschewski

Malaria: Fieberhafte Suche nach einem Impfstoff
Kai Matuschewski

Ein Impfstoff gegen irgendeinen der vielen Parasiten, die den Menschen befallen, ist eine der großen Herausforderungen biomedizinischer Forschung. Trotz intensiver Suche seit über 50 Jahren und vielen, zunächst vielversprechenden, Ansätzen ist bis heute keine Vakzine gegen menschliche Parasitosen lizenziert worden. Eine Erklärung liefert die Biologie der Erreger, die sich fundamental von Bakterien und Viren unterscheidet: Parasiten sind eukaryontische Pathogene mit einer vergleichsweise langsamen Generationszeit und einem komplexen Lebenszyklus. Plasmodium, der Erreger der Malaria, vermehrt sich zunächst klinisch und diagnostisch nicht bemerkbar in der Leber, bevor eine Welle von Merozoiten die Erythrozyten befällt und die Blutphase, die für alle klinischen Symptome verantwortlich ist, einleitet. Menschen infizieren sich immer wieder neu und bauen selbst nach vielen Jahren ständig wiederholter Infektionen nur einen unvollständigen Teilschutz auf. Ein natürliches Impfmodell, wie wir es von den bewährten pädiatrischen Vakzinen kennen, gibt es daher bei der Malaria nicht. Um einen bezahlbaren, zuverlässigen, und gut verträglichen Malaria-Impfstoff herzustellen, müssen wir also sogar auch noch besser als die Natur sein – eine kaum lösbare Aufgabe.

Für die Malaria-Impfstoff-Entwicklung ist es daher entscheidend, möglichst viele unterschiedliche Ansatzpunkte systematisch zu verfolgen, denn keiner kann vorhersagen wie eine erfolgreiche Vakzine einmal aussehen wird. Bereits jetzt sind sich die meisten Wissenschaftler einig, dass nur eine Kombination Aussichten auf langfristigen Erfolg haben wird, die alle drei Parasitenstadien im Menschen berücksichtigt:

1. Die unauffälligen, wenigen Überträgerformen (Sporozoiten),
2. die krankmachenden Blutstadien (Merozoiten und intrazelluläre Formen), und
3. die sexuellen Stadien (Gametozyten), die von der Anopheles-Stechmücke aufgenommen werden und die Malaria-Übertragung sichern.

Eine Immunisierung gegen die Überträgerformen, die für den Wechsel vom Menschen auf das Insekt und zurück maßgeschneidert sind, ist ein ganz wesentlicher Ansatz. Bei einem infektiösen Stich werden oft nur Dutzende Sporozoiten in die Haut injiziert. Immunisierungen mit einem rekombinanten Test-Impfstoff, RTS,S/AS01E, können bei Kindern für einige Zeit einen Teilschutz vor Neuinfektionen und schwerer Krankheit aufbauen. Die Vakzine basiert auf einer Fusion aus dem Hepatitis B S-Antigen und einem Teil des Sporozoiten-Hauptoberflächenproteins, kombiniert mit einem neuen und sehr starken Adjuvanz. Hohe Antikörper-Titer helfen die Zahl der übertragenen Sporozoiten, nicht jedoch der Blutstadien, deutlich zu reduzieren. Dieser Impfstoff wird zurzeit in vielen afrikanischen Ländern in einer Phase III Studie, der allerersten für eine Anti-Parasiten-Vakzine beim Menschen überhaupt, getestet. Wenn, wie erhofft, der Teilschutz bestätigt werden kann, wäre dieser Impfstoff der ersten Generation eine wichtige und gleichwertige Ergänzung zu den bestehenden Kontrollmethoden, d. h. Insektizid-imprägnierte Bettnetze, Vektorbekämpfung, schnelle Diagnose und Behandlung mit Artemsinin- Kombinationspräparaten. Aufhalten wird dieser Kandidaten-Impfstoff die Malaria jedoch auch noch nicht; ein einziger Sporozoit reicht aus um eine fulminante Blutinfektion auszulösen. Nach dem gleichen Prinzip kann auch die Übertragung vom Mensch auf das Mosquito reduziert werden. Ein zusätzlicher Vorteil ist die strikte Konservierung der Parasiten- Oberflächenantigene im Insekt, das keine Antigen-spezifische, erworbene Immunität aufbauen kann. Dieser Ansatz, der sich bislang erst in der präklinischen Erprobungsphase befindet, ist aber lediglich altruistisch und verhindert zukünftige Neuinfektionen in der Kommune. Deshalb wird er wahrscheinlich nur in einem Kombinations-Impfstoff verwirklicht werden können.

Klinisch bedeutsam sind hohe Antikörper-Titer gegen Blutstadien-spezifische Parasitenproteine, sowohl auf der Oberfläche der Merozoiten als auch dem infizierten Erythrozyten. Letztere vermitteln bei einer möglicherweise tödlich verlaufenden Plasmodium falciparum-Infektion das Anheften an Endothelzellen, mit zwei problematischen Konsequenzen: Zum einen kommt es zu einer lokalen Anreicherung von Parasiten bis hin zu Kapillar-Okklusionen und lokaler Hypoxie, wesentlichen Auslösern der komplexen Malaria- Pathologie; zum anderen bereitet die zeitweise vollständige Abwesenheit der Trophozoiten- und Schizonten-Stadien im peripheren Blut Probleme im diagnostischen Nachweis einer akuten Plasmodium-Infektion. Bislang verliefen klinische Impfstudien mit Kandidaten- Antigenen jedoch durchweg enttäuschend, unter anderem weil der Parasit durch ausgeprägte Antigenvariation immer wieder einen entscheidenden Vorsprung vor den Immunantworten ausbauen kann.

Womöglich lassen sich komplexe Pathogene wie Plasmodium nur durch einen attenuierten Lebendimpfstoff wirkungsvoll in Schach halten. Amerikanische Wissenschaftler konnten bereits in den 70-er Jahren eindrucksvoll zeigen, dass die Gabe hoher Dosen bestrahlter Sporozoiten einen nachhaltigen und teilweise sogar lebenslangen Schutz induzieren kann. Dieser Goldstandard in der Malaria-Impfstoff-Entwicklung ist seitdem methodisch weiterentwickelt worden, beispielsweise durch das maßgeschneiderte Ausschalten von Parasiten-Genen, die für die Vermehrung im Hepatozyten notwendig sind. Plasmodien, die in der unauffälligen Leberphase stecken bleiben, induzieren starke T-Zell- vermittelte Immunantworten, die auch viele Monate später noch effizient neu befallene Leberzellen erkennen und gezielt ausschalten können. Noch liegt eine Umsetzung dieses Ansatzes im ländlichen Raum in Afrika in sehr weiter Ferne. Die systematische Suche nach den schützenden Mechanismen und Parasiten-Antigenen, die in der Leber präsentiert werden, eröffnet jedoch langfristig die Perspektive für Impfstoffe der zweiten Generation. Bis dahin sind wir in der Malaria-Kontrolle auf die altbewährten Methoden angewiesen und müssen angesichts der bedrohlichen Resistenzentwicklungen, sowohl bei den Parasiten als auch bei den Überträgermücken, die Entwicklung und Erprobung neuer Anti-Infektiva und
Insektizide stärken.

Korrespondenzadresse:
PD Dr. Kai Matuschweski
Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie
Charitéplatz 1
Campus Charite Mitte
D-10117 Berlin
Matuschewski(at)mpiib-berlin.mpg.de