BM-2011-2-Sasse

Dünnes Blut auf Reisen – Checkliste Antikoagulation
Jörg Sasse

Medikamente zur oralen Antikoagulation (oAk) werden in der westlichen Welt bei Millionen Patienten als Dauertherapie eingesetzt. Zum Einsatz kommen neben Thrombozytenaggregationshemmern, wie z.B. ASS oder Clopidogrel auch Vitamin K- Antagonisten (VKA). Deren Wirkspiegel muss über Blutentnahmen zur Bestimmung der INR (International Normalized Ratio) kontrolliert werden.

Dem therapeutischen Nutzen dieser Medikation steht das potentielle Blutungsrisiko gegenüber, das je nach Indikation und INR variiert. Z.B. liegt bei einer anzustrebenden INR von bis 4,5 bei Patienten mit mechanischen Herzklappen die jährliche Inzidenz fataler Blutungen bei bis zu 0,9 %, bei dem weitaus häufigeren INR-Zielkorridor von 2-3 nach z.B. tiefer Beinvenenthrombose bei bis zu 0,3 % [1].

Für geschulte Patienten ermöglichen portable Geräte zur Selbstmessung, wie z. B. CoaguChek(r) eine individuelle Justierung der Medikation zur konstanten Einstellung des INR im therapeutischen Bereich.

Die überwiegende Mehrheit der Patienten unter oAk wird ambulant betreut und kann in Deutschland einem im Wesentlichen uneingeschränkten Leben nachgehen. Dies schließt unter gewissen Einschränkungen auch Reisen oder sogar Langzeitaufenthalte fernab der Heimat ein. In vielen Ländern in gesundheitsgefährdenden Gebieten wird aufgrund fehlender diagnostischer Kontrollmöglichkeiten und unzureichender Notfalltherapie auf eine oAk häufig verzichtet, zudem kennen sich Gesundheitseinrichtungen und Ärzte mit diesem Therapieverfahren nicht aus.

Potentiell fatale Komplikationen einer oAk bei Langzeitaufenthalt in Gebieten mit besonderen klimatischen und gesundheitlichen Gefährdungen müssen prinzipiell mit dem Wunsch der Betroffenen nach Berufsfreizügigkeit und Berufsfreiheit (Artikel 12 Absatz 1 GG) und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (§ 15 Gesetz für den Auswärtigen Dienst – GAD) in Einklang gebracht werden.

Im Vortrag wird versucht, sowohl der wissenschaftlichen Evidenz als auch den spezifischen Besonderheiten eines insbesondere längerfristigen Auslandsaufenthaltes Rechnung zu tragen. Die Checkliste vor Reisebeginn versteht sich dabei ebenso wie die eine Aufstellung von Reisezielen, an denen die oAk mit einer besonderen Problematik für den Patienten behaftet sein könnte, weniger als Dogma sondern vielmehr als erste Orientierung.

Korrespondenzadresse:
Dr. Jörg Sasse
Gesundheitsdienst
Auswärtiges Amt
Werderscher Markt 1
10117 Berlin

Literatur

1. Levine, M N, et al. Hemorrhagic complications of anticoagulant treatment. Chest,
2001. 119 (1 Suppl): p. 108S-121S.