BM-2011-2-Volkmer
Reiseimpfungen – update 2011 –
Klaus-J. Volkmer
Der Begriff „Reiseimpfungen“ hat sich zwar eingebürgert, ist aber nicht verbindlich definiert. Für mehr als 90 % der erwachsenen Bundesbürger ist eine bevorstehende Reise der Anlass, ihren Impfschutz zu überprüfen, ggf. aufzufrischen oder neu anzulegen. Daher finden sich hier auch Impfungen, die unabhängig von der Reise dem Schutz des Einzelnen oder der Allgemeinheit dienen und öffentlich empfohlen sind.
Zu den echten Reiseimpfungen gehört eigentlich nur die Impfung gegen Gelbfieber. Sie ist bei Reisen in endemische Gebiete (tropisches Afrika und Lateinamerika) indiziert. Da die Erstimpfung in seltenen Fällen, vor allem im Zusammenhang mit Alter und Vorerkrankungen, zu schweren Nebenwirkungen führen kann, ist immer eine individuelle Risiko-Nutzen-Analyse erforderlich.
Indikationsimpfungen sollen den Menschen vor einer Infektionsgefahr schützen, der er durch Verhalten, Beruf, Freizeit, Hobby, Reiseziel, Reisestil oder andere persönliche Faktoren ausgesetzt ist. Hierzu gehören Impfungen gegen Hepatitis A, Hepatitis B, Typhus, Cholera, Tollwut, Meningokokken, Japanische Enzephalitis und FSME. Gegen Japanische Enzephalitis gibt es einen neuen Zellkultur-Impfstoff, der seit Mai 2009 auch in Deutschland verfügbar ist, zugelassen vorerst nur für Erwachsene. Seit April 2010 ist ein tetravalenter Konjugatimpfstoff gegen Meningokokken auf dem Markt; hierfür wird die Zulassung für Kinder in Deutschland im Laufe dieses Jahres erwartet. Der orale Impfstoff gegen Cholera ist bereits seit Oktober 2004 im Handel. Da die Erkrankung bei Reisenden extrem selten ist, kommt er gewöhnlich nur für berufliche Aufenthalte unter Hygienemängeln bei Katastrophen oder in Flüchtlingslagern zur Anwendung. Sein Einsatz gegen die Reisediarrhoe, durch Antigengemeinschaft des Impfkeimes mit enterotoxischen E. coli (ETEC), einem häufigen Durchfallerreger in warmen Ländern, kann erwogen werden; die Daten zur Wirksamkeit sind jedoch widersprüchlich, der Impfstoff für diese Indikation in Deutschland nicht zugelassen.
Zu den Standardimpfungen, die von der Ständigen Impfkommission am RKI (STIKO) für alle bzw. bestimmte Altersgruppen vorgesehen sind, gehören die Impfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Poliomyelitis, Keuchhusten, Grippe, Pneumokokken, Masern (MMR). Für die vier erstgenannten, die ggf. alle 10 Jahre aufgefrischt werden sollten, gibt es bequem anzuwendende Kombinationsimpfstoffe. Eine besondere Bedeutung von globaler Dimension kommt derzeit den Impfungen gegen Polio und Masern zu; gegen diese beiden Krankheiten laufen Ausrottungsprogramme der WHO, die durch Verschleppung von Erregern im internationalen Reiseverkehr immer wieder Rückschläge erfahren.
Insgesamt hat sich auf dem Impfsektor im letzten Jahr wenig verändert, die „Impfmedizin“ befindet sich auf einem hohen Niveau. In den kommenden Jahren ist mit einer Reihe weiterer neuer oder verbesserter Impfstoffe zu rechnen. „Rechnen“ muss man auch mit höheren Kosten, die dann für den Einzelnen oder die Gemeinschaft kaum noch finanzierbar sind. Um so wichtiger ist es, schon jetzt bei Auswahl der Indikationsimpfungen Prioritäten zu setzen, die sich an einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung orientieren.
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Klaus-J. Volkmer
Arzt für Innere Medizin und Tropenkrankheiten
Klecker Weg 5
D-21244 Buchholz in der Nordheide